Dienstag, 9. November 2010

Jeder Tag ist ein neuer Tag

Nun sind wir schon über einen ganzen Monat in Dar es Salaam und es hat sich einiges verändert!
In den letzten Wochen waren Jakob und ich hauptsächlich damit beschäftigt, so viele Projektstellen wie möglich zu besichtigen...und wir waren erfolgreich!
Seit zwei Wochen arbeite ich nun im Baba watoto Center.
Das Baba watoto Centre ist ein Jugendzentrum im Stadtteil Mburahati gelegen, welcher gleich an das Armenviertel Manzese grenzt. Die meisten Jugendlichen, die hier her kommen, stammen aus sehr einfachen Verhältnissen und sind zwischen 12 und 20 Jahre alt. Ein Großteil der Kinder haben nur einen Schulabschluss in der Primary School ( dauert in Tansania 7 Jahre lang), da die Familien von ihnen nicht die Secondary School bezahlen könnten. Im Center wird vor allem traditionell afrikanischer Tanz, Akrobatik, Gesang und Ngoma (Trommeln) unterrichtet. Hinzu finden Aufklärungsgespräche und Diskussionsrunden zum Beispiel über HIV/AIDS und Drogen statt und am Wochenende können die Kinder in verschiedenen Büchern stöbern. Es gibt zwei Lehrer , Mkude, welcher für den Unterricht zuständig ist und Nelson, der ausgebildeter Sozialpädagoge ist und sich um die Betreuung der Kinder kümmert.
Die ersten Tage in der neuen Arbeitsstelle waren für mich natürlich sehr aufregend, weil ich nicht so genau wusste, was meine Aufgaben sein sollten, ob ich überhaupt gebraucht und wie die Kinder auf mich reagieren würden. Jedoch verflogen jegliche Bedenken sehr schnell! Die Jugendlichen sind wirklich lieb und aufgeschlossen und ich wurde gleich in die Gruppe integriert.
Ein Arbeitstag von mir sieht meistens so aus, dass ich so gegen 10 Uhr im Center ankommen und wir von 11 bis 14 Uhr die erste Trainingseinheit haben. Zur Aufwärmung wird sich eingelaufen und danach folgt ein kleines Krafttraining. Anschließend übernehme ich das Stretching und habe angefangen, ihnen einzelne Yoga Figuren beizubringen ( Wusste nicht, wie ich ihnen erklären sollte, was Kontorsion ist. Wir nennen das jetzt halt Yoga.). Danach folgt eine Stunde lang Mittagspause. Von 15 bis 18 Uhr übernimmt dann Mkude den Unterricht und übt mit ihnen Trommeln, Singen, Tanzen und Akrobatik. Am Nachmittag mache ich mit den 5 bis 10 Jährigen, die erst nach Schulschluss zu uns kommen können, Akrobatik, was jedoch nicht all zu einfach ist, da es so um die 20 Kinder sind, die völlig hippelig und aufgeregt sind, etwas Neues auszuprobieren.
Was mich vor allem fasziniert, ist die Leidenschaft und der Ehrgeiz, den die Kinder zeigen. Sie verfügen über solch ein Durchhaltevermögen (bestimmte Tänze werden auch schon mal ohne Unterbrechung 2 Stunden geübt) und eine Energie, welche für mich unerreichbar scheint! Wie kann man über den ganzen Tag hinweg trainieren und selbst in den Pausen wird nicht stillgestanden oder sich ausgeruht. Sie sind die ganze Zeit in Bewegung und einfach nicht müde zu kriegen. Ein Phänomen, welches anscheinend typisch für Tansanier ist!
Eine Schülerin von mir, Doris, ist besonders ehrgeizig und sagt immer, sie will genau so Kontorsion können wie ich. Sie übt einfach ohne Unterbrechung und das zeigt mir auch, dass ich durch meinen Unterricht die Schüler für Neues begeistern kann, was mich sehr glücklich macht.
Ein anderer Schüler, Omali, hatte mich neulich zu sich nach Hause zum Mittagessen eingeladen (auch eine Eigenschaft, die ich sehr an Tansaniern schätze, ihre Gastfreundlichkeit) und ehe ich mich versah, saß ich bei einer muslimischen Familie zum Ugali essen im Zimmer. Natürlich wurden gleich Fotos gezeigt und ich hatte die Möglichkeit ein wenig in den Islam einzutauchen.
Trotz alledem, obwohl es so scheint, dass allmählich wieder Alltag einkehren würde, bin ich immer wieder von Neuem in bestimmten Situationen völlig überfordert oder überrascht. Wie zum Beispiel in solchen Momenten, wenn ein Tansanier davon überzeugt ist, dass wir doch wissen müssten, wie man ein Flugzeug baut, weil wir schließlich Weiße sind. Oder mir so viele Fragen über Deutschland gestellt werden, worüber ich mir selber noch nie Gedanken gemacht habe: Warum gibt es bei uns keine Chapati oder Ugali? Wenn ich zur Arbeit gehe, sehe ich jeden Morgen die selben Frauen am Straßenrand sitzen und ihre Karanga (Nüsschen) verkaufen und gleichzeitig eilt ein Arbeiter an mir vorbei, welcher mit Säcken voll leerer Plastikflaschen beladen ist (für 1kg bekommt er 100 Shilling, 5 Cent). Oder mir immer wieder auffällt, was für Lebenskünstler die Tansanier sind. Wie weit sie mir doch voraus sind.
Neue Eindrücke prasseln auf mich ein und am Ende des Tages bin ich nur noch erschöpft und freue mich auf mein Bett.

Insofern, usiku mwema!